Im Schnitt 17 Jahre ohne
Geschlechtsverkehr auskommen und die kommenden 20 kaum zwei
Wochen darauf verzichten wollen. In etwa so fühle ich mich gerade
und rede zu eurem Entsetzen nicht vom Liebesakt, sondern vom
Backen. Wenn man nicht mehr auf den warmen Duft von Zimt, Schokolade
und im Ofen vor sich hinschlummernden Leckereien verzichten kann und
sich einen Ordner mit 'Rezepten' auf dem neuen Netbook anlegt, ist
man wohl bereits infiziert. Die einen verspüren den Drang, sich jedes Wochenende hemmungslos zu betrinken, die anderen denselbigen, sich jede Woche die schönsten Klamotten zu kaufen. Ich komme derzeit nicht ohne selbstgemachten Süßkram aus und bekenne mich einer uncoolen Sucht schuldig.
Lange schlummerten offensichtlich
ungeahnt und unentdeckt etliche Hausfrauenqualitäten in mir, die
nach meinem ersten Auszug mit stolzen 22 schließlich aus der
Versenkung kriechen wollen. Kopenhagen bedeutet daher nicht nur die
ersten eigenen vier Wände und die vollkommene Abnabelung von den
liebsten Eltern sondern auch die Entfaltung meiner Selbst in Es, Ich
und Über-Ich – oder so ähnlich. Freud wäre stolz auf mich, wie
ich da so tatkräftig mein unterdrücktes Hausfrauen-Ich nach außen
kehre und das alles ohne Therapiesitzung.
Seit unserem überstürzten Auszug,
Schrägstrich Rauswurf aus Wohnung eins (vermuteter Kündigungsgrund
ist übermäßige Sauberkeit und Kochqualitäten) und der
anschließenden Putzsession in Wohnung zwei überlege Ich nicht nur,
ob Linda und ich zwei angehende Putzfetischisten und absolute
Saubermänner sind, sondern auch, ob ich eigentlich nicht besser in
der Küche als an der Uni aufgehoben wäre.
Weil mit so viel Leidenschaft für die
Küche hat man mich schon lange nicht mehr lernen gesehen - vielleicht noch nie. Zugegeben,
wer lernt schon gern, aber lassen wir das. Jedenfalls ist es verrückt
sich einzugestehen, dass man 22 Jahre die Küchenzeile meidet und nun
mitten in Kopenhagen in einer Küche ohne Backofen einen
Schweißausbruch bekommt. Anstatt jeden Abend ein anderes (teures)
Restaurant zu testen, bevorzugen wir es mittlerweile, eigene
Kreationen zu schaffen und Herd und Backofen auf Höchstform zu
trimmen. Einmal angefangen, hört man vermutlich nie wieder mit den
Schweinereien auf und endlich versteht man Mutti, die es liebt,
frisches Brot zu backen anstatt es einfach im Laden zu kaufen.
Linda fühlt glücklicherweise ähnlich
wie ich, auch wenn sie schon länger unter den selbständigen
Erwachsenen wohnt, die sich selber bekochen müssen, und somit
treffen wir spontan die Entscheidung einen kleinen Ofen zu kaufen,
damit unsere Sucht nach selbergebackenen Vollkorncookies und
fettarmem Käsekuchen weiterhin gestillt werden kann. Denn drei
Monate ohne Backen ist für uns gerade schlimmer als zwei Wochen ohne
Sex.
Ihr müsst es weder verstehen noch
gutheißen, aber staunt über so viele Hausfrauengene im
Emanzipationszeitalter des 21. Jahrhunderts.
Und da euch mein Text zum Marathonbacken inspiriert hat, geht's hier zum Rezept für ziemlich gesunde Cookies.
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