2013-03-20

Geständnisse einer Neuzeithausfrau











Im Schnitt 17 Jahre ohne Geschlechtsverkehr auskommen und die kommenden 20 kaum zwei Wochen darauf verzichten wollen. In etwa so fühle ich mich gerade und rede zu eurem Entsetzen nicht vom Liebesakt, sondern vom Backen. Wenn man nicht mehr auf den warmen Duft von Zimt, Schokolade und im Ofen vor sich hinschlummernden Leckereien verzichten kann und sich einen Ordner mit 'Rezepten' auf dem neuen Netbook anlegt, ist man wohl bereits infiziert. Die einen verspüren den Drang, sich jedes Wochenende hemmungslos zu betrinken, die anderen denselbigen, sich jede Woche die schönsten Klamotten zu kaufen. Ich komme derzeit nicht ohne selbstgemachten Süßkram aus und bekenne mich einer uncoolen Sucht schuldig.


Lange schlummerten offensichtlich ungeahnt und unentdeckt etliche Hausfrauenqualitäten in mir, die nach meinem ersten Auszug mit stolzen 22 schließlich aus der Versenkung kriechen wollen. Kopenhagen bedeutet daher nicht nur die ersten eigenen vier Wände und die vollkommene Abnabelung von den liebsten Eltern sondern auch die Entfaltung meiner Selbst in Es, Ich und Über-Ich – oder so ähnlich. Freud wäre stolz auf mich, wie ich da so tatkräftig mein unterdrücktes Hausfrauen-Ich nach außen kehre und das alles ohne Therapiesitzung.


Seit unserem überstürzten Auszug, Schrägstrich Rauswurf aus Wohnung eins (vermuteter Kündigungsgrund ist übermäßige Sauberkeit und Kochqualitäten) und der anschließenden Putzsession in Wohnung zwei überlege Ich nicht nur, ob Linda und ich zwei angehende Putzfetischisten und absolute Saubermänner sind, sondern auch, ob ich eigentlich nicht besser in der Küche als an der Uni aufgehoben wäre.
Weil mit so viel Leidenschaft für die Küche hat man mich schon lange nicht mehr lernen gesehen - vielleicht noch nie. Zugegeben, wer lernt schon gern, aber lassen wir das. Jedenfalls ist es verrückt sich einzugestehen, dass man 22 Jahre die Küchenzeile meidet und nun mitten in Kopenhagen in einer Küche ohne Backofen einen Schweißausbruch bekommt. Anstatt jeden Abend ein anderes (teures) Restaurant zu testen, bevorzugen wir es mittlerweile, eigene Kreationen zu schaffen und Herd und Backofen auf Höchstform zu trimmen. Einmal angefangen, hört man vermutlich nie wieder mit den Schweinereien auf und endlich versteht man Mutti, die es liebt, frisches Brot zu backen anstatt es einfach im Laden zu kaufen.













Linda fühlt glücklicherweise ähnlich wie ich, auch wenn sie schon länger unter den selbständigen Erwachsenen wohnt, die sich selber bekochen müssen, und somit treffen wir spontan die Entscheidung einen kleinen Ofen zu kaufen, damit unsere Sucht nach selbergebackenen Vollkorncookies und fettarmem Käsekuchen weiterhin gestillt werden kann. Denn drei Monate ohne Backen ist für uns gerade schlimmer als zwei Wochen ohne Sex.
Ihr müsst es weder verstehen noch gutheißen, aber staunt über so viele Hausfrauengene im Emanzipationszeitalter des 21. Jahrhunderts.
Und da euch mein Text zum Marathonbacken inspiriert hat, geht's hier zum Rezept für ziemlich gesunde Cookies.

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