Ihr kennt das höchst wahrscheinlich.
Ihr lest etwas, das euch erst einfach interessiert und danach
sitzt ihr nachdenklich im Irgendwo, denkt über Gott und die Welt
nach und zweifelt an eurem eigenen Dasein. Und das heißt nicht, der
Text zieht euch mit seiner negativen Aura runter, sondern er hat euch
irgendwo berührt – wahrscheinlich hat er damit genau das getan,
was jeder Text tun sollte.
Verursacht wurde mein aktueller
Gedankenstau vom Seminarsprojekt einer Kommilitonin, das von
Tierhaltung bzw. Behandlung von Tieren handelt. Sie musste dazu einen
Blog anlegen und über ihre Gedanken zum Thema berichten, unter
anderem zum aktuellen Thema Pferdefleisch in Lidl Lasagnen. Ich als
Newcomer auf dem Gebiet sah mich also dazu auserkoren mir ihre
verschriftlichten Gedanken zu Gemüte zu führen. 'Quälerei',
'Gefangener' und 'Verschwendung' sind nur ein paar der vielen
ehrlichen Worte, die die langjährige Vegetarierin mit Tierhaltung in
Verbindung bringt und zugegeben kein falsches Wort darüber verliert.
Und da ist es auch schon: das schlechte
Gewissen. Ich habe Hund und Katze, lebe selber seit meiner Kindheit
mit Tieren zusammen. Aber warum bin ich ein fleischfressendes Etwas
der ersten Stunde, das nicht auf saftige Steaks und rohen Fisch
verzichten kann?
Und wie ich so in meinen Gedanken herumschwirre, erinnere ich mich wieder.
I have a dream - oder besser gesagt 'had':
Es ist doch einfach
immer dasselbe. Noch vor 7 Wochen, nur kurz bevor ich nach Kopenhagen
aufbrach, habe ich mir geschworen dem Fleisch Ade zu sagen und etwas
für die Umwelt zu tun. Denn ich weiß sehr wohl über die Umstände
in der widerlichen Fleischindustrie Bescheid. Ich habe sowohl
Vegetarier als auch unlängst Menschen mit veganer Ernährung in
meinem Freundeskreis und bewundere sie nicht nur um ihren Verzicht,
sondern vielmehr um ihre Willensstärke. Über dieses Vorhaben habe
ich dann postwendend meine engsten Freunde informiert und so viel
Überzeugungskraft geleistet, das mir vorübergehend geglaubt wurde.
In Kopenhagen angekommen wundere ich
mich schließlich erst großkotzig über die hohen Fleischpreise und
sehe mich schon hinter der Zielline im Vegetarierland und da ist es:
das unwürdigste vom Unwürdigen (dies ist keine Wertung, sagen wir
es ist eine persönliche Einschätzung), reduziertes Billigfleisch
vom Discounter. Plötzlich ist Fleisch doch nicht mehr teuer und die
Lust, die vorher nicht da war, geht über in: Oh ja, Curryhühnchen
mit Reis oder nein, Steak mit Salat und aus dem Hinterstübchen tönt
es Spaghetti Bolognese. Was besseres gibt’s nicht.
Die Antwort heißt aber eigentlich:
doch, das gibt es sehr wohl. Nur sind die Alternativen zu lecker
Frischfleisch entweder maßlos überteuert oder die Ernährung
beschränkt sich auf Gemüse garniert mit Gemüse eben. Als
Fleischfresser hat man nicht selten beim Anblick von vegetarischen
Gerichten ein Gefühl von 'Da fehlt doch was' oder ' Das macht nie im
Leben satt'. Dass das nicht stimmt, weiß ich auch, und dennoch:
Fleisch in den Wagen, nicht drüber nachdenken, weitergehen zum
Gemüse. Ach fühlt sich das gut an und dahin sind all die guten
Vorsätze. Ich klinge nun wie eine einfache Schwindlerin? Ja, und so
fühlt es sich tatsächlich an. Aber ich denke, es steckt mehr
dahinter.
Denn ist es nicht allzu oft der Fall,
dass man sich hochmotiviert etwas vornimmt und am Ende vorallem und
in jedem Fall hinter seinen eigenen Erwartungen zurückbleibt? Man
hofft dann nur, dass man niemandem von seinen Plänen und Zielen
erzählt hat und einen somit keiner mit seinem Versagen konfrontieren
kann. 10 Kilo im nächsten halben Jahr verlieren? - Kein Problem. 1
Jahr kein Fleisch mehr essen? - Klar, es gibt doch Gemüse. 4 Mal die
Woche im Fitnessstudio auspowern? - Klar, danach fühle ich mich viel
besser.
Die wahren Antworten zu den Fragen ein
bis drei sind jedoch in den meisten Fällen: Ich kann und will
einfach nicht auf Schokolade verzichten. Neben dem Gemüse fehlt was,
ich dachte wir wollten grillen. Klar will ich ins Fitnessstudio, aber
die neue Staffel Grey's Anatomy läuft doch diese Woche an.
Ja wir belügen und betrügen uns
selber und ja, oftmals haben wir einfach nicht die Willensstärke, um
einen Plan zu 100% zu verfolgen und gehen darin verloren. Auch, wenn
wir es eigentlich und von ganzem Herzen wollen.
Natürlich kann man als einzelner nicht
Superhelden - like die ganze Welt verändern, aber sich selbst sehr
wohl. Und auch, wenn man oftmals versagt und sein Ziel nicht
erreicht, warum gleich aufgeben? Wer will mir erzählen, dass man ab
und an nicht ein paar Anläufe braucht, um etwas zu schaffen? Wer
meistert schon problemlos einen Marathon beim ersten Mal. Und auch,
wenn man eine schwierige Klausur beim ersten Mal nicht gleich
besteht, wird man nicht als heuchlerisch abgestempelt. Manche Dinge
brauchen nun einmal ein, zwei oder auch drei Anläufe. Und deshalb
wage ich nach den eindrücklichen Worten meiner Kommilitonin ab heute
einen neuen Versuch. Patricia von und zu Fleischlos, here I
am.Wünscht mir kein Glück, sondern appelliert an meine
Willensstärke.
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