Wo sind eigentlich die ganzen schönen Menschen
hin, die in jede als Metropole verschriene Stadt gehören wie Ketchup zu Pommes? Wo soll das bitte eine Modehochburg sein, mal abgesehen von all den Läden
von A bis Z? Wie sieht er nun aus, dieser typisch dänische
Stil? Und wo zur Hölle ist die Sonne? Schlechte Laune kennt manchmal keine Grenzen und lässt auch vor Kopenhagen keine Gnade walten.
Ich habe gesucht und gesucht und
schließlich bin ich fündig geworden – bezüglich all den
ungeklärten Fragen. Es gibt Aha-Effekte im Leben, wo Lachen, Weinen,
Tanzen und auch Schreien erlaubt sind und nah beineinander liegen.
Ich hatte so einen heute an diesem nichtssagenden Mittwoch Mittag,
der absolut unspektakulär zu werden drohte. Aber ich wäre nicht
ich, wenn ich nicht mit aller Kraft dagegen ankämpfen würde. Einen
ganzen Tag in der Bude sitzen, selbstgemachte Chocolate Chip Cookies
essen (wenn auch Vollkorn) und lernen – und das, obwohl draußen
die Sonne strahlt, nach der ich mich so lange gesehnt habe? Nein
danke!
Deshalb packe ich meine Kamera und
stürme enthusiastisch und energiegeladen – na gut, ich gehe völlig
normal – auf die Straße und laufe Richtung Kopenhagen
Stadtzentrum. Es wird schon was geben, was sich als fotogen
herausstellt und mir meinen Mittag versüßt. Gesagt, getan und dann
geht alles schneller als die Polizei erlaubt und mit soviel Kawumm
und Ratatata, dass ich es kaum glauben wollte.
Da laufe ich also 500m von meinem Haus
entfernt auf die Brücke, die den Stadtteil Nørrebro
vom Zentrum trennt und sehe schon von weitem, was mich dort erwartet.
Es scheint, als hätte sich ganz Kopenhagen dort versammelt, um zu feiern an diesem Dienstag
Nachmittag. Was sie feiern? Ich habe keinen blassen Schimmer, aber es
sieht mir nach mächtig Spaß und dem wahren Leben aus. Das ist es, was ich in Kopenhagen
sehen wollte.
Mir dämmerte just in diesem Augenblick, wie
sie da alle saßen, standen und an ihren Fahhrädern lehnten, dass
ich wohl gerade Zeuge des dänischen Hygge Gefühl wurde, von
dem immerzu die Rede ist.
Es ist – wohl wahr –
unbeschreiblich, wenn man diese Leichtigkeit, dieses Freiheitsgefühl
und diese positive Aura mit ansehen darf. Ich bin stiller Beobachter
mit meiner Kamera und versuche den Moment mit dieser festzuhalten, so
gut es mir eben möglich ist. Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt
etwas hippie-esk klinge: es war ein magischer Moment. Denn endlich
begriff ich, dass die Sonne der Schlüssel zum Glück war und bei den
ersten Sonnenstrahlen alle schönen und unschönen aus ihren Löchern
kriechen, um sich zum kollektiven Wohlfühlen auf Wiesen und Brücken
zu treffen. Alle sind am Bierchen trinken, Käffchen schlürfen,
quatschen oder lachen. An diesem Nachmittag wird die sonst so
unscheinbare Brücke zur Partymeile mit Kuschelcharakter und das bei
2 Grad Celsius. Es gibt kaum eine Stadt, die bei so viel Kälte so
viel Spaß macht. Eine Stunde auf den Straßen Kopenhagens und aus
meinen hängenden Mundwinkeln wird ein strahlendes Grinsen. Die Leute
gucken doof, wie ich da so grinsend vorbeischlendere? Nö, weil die
Kopenhagener sich offenbar über nichts und niemand wundern und genau
so sehen sie aus.
Es gibt da schräge Vögel neben grauen
Mäuschen, Styler und die guten, alten Basickünstler. Aber das Außergewöhnliche an
alledem ist, dass die Leute in Kopenhagen nicht aussehen, als ob sie
viel Zeit in Aussehen und Mode investieren würden. Sie verstehen die
Kunst, aus der Einfachheit eine so einzigartige Coolness zu zaubern,
dass einem der Atem wegbleibt. Grau, schwarz, dunkelblau, tannengrün?
Klingt nach düsterem Gothic, ist aber eigentlich Kopenhagens lässige
Eleganz gepaart mit alternativen Einschlägen.
Das beeindruckendste am Stil der Dänen
ist jedoch ihr Schönheitsgeheimnis à la 'weniger ist mehr'. Diesen
Leitspruch übertragen die Kaltblüter nicht nur auf ihren
reduzierten Stil ohne viel Tamtam und Massenweise Accessoires,
sondern vorallem auf ihre Natürlichkeit. Man sieht kaum eine Dänin,
die dicke Schichten Make up aufgetragen hat oder aufwändige Smokey
Eyes spazieren trägt. Maskara, Lippenbalsam und nachgezogene,
markante Augenbrauen müssen reichen und verleihen einen frischen Look. Und dabei belassen
es die meisten Naturschönheiten hier – zurecht. Mir gefällts, und
zwar so sehr, dass auch ich als sonst eher bunter Vogel immer mehr
meine Vorliebe für Basics und die Farbvielfalt zwischen Schwarz und
Weiß entdecke! Am Abend sieht man schon die ein oder anderen
apfelroten Lippen, aber auch die trägt man in Kopenhagen mit so viel
Natürlichkeit, dass man sie kaum wahrnimmt. Es ist wunderbar
erfrischend so viele perfekte Menschen zu sehen, die alles andere als
perfekt sind.
Ich denke, dass sowohl die Menschen
mitsamt ihrem Aussehen als auch die Lebensart und die gemütliche
Atmosphäre das Hyggegefühl erzeugen. Für mich ist auf jeden Fall
seit heute alles klarer denn je und Hygge kein Buch mit sieben
Siegeln mehr. Ich habe etwas mehr gefunden als erwartet und freue
mich euch demnächst mit noch mehr Hygge zu beschallen.
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