2013-02-28

Bier, 'ne Bank und bezaubernde Dänen im Hygge-Rausch











Wo sind eigentlich die ganzen schönen Menschen hin, die in jede als Metropole verschriene Stadt gehören wie Ketchup zu Pommes? Wo soll das bitte eine Modehochburg sein, mal abgesehen von all den Läden von A bis Z? Wie sieht er nun aus, dieser typisch dänische Stil? Und wo zur Hölle ist die Sonne? Schlechte Laune kennt manchmal keine Grenzen und lässt auch vor Kopenhagen keine Gnade walten.



Ich habe gesucht und gesucht und schließlich bin ich fündig geworden – bezüglich all den ungeklärten Fragen. Es gibt Aha-Effekte im Leben, wo Lachen, Weinen, Tanzen und auch Schreien erlaubt sind und nah beineinander liegen. Ich hatte so einen heute an diesem nichtssagenden Mittwoch Mittag, der absolut unspektakulär zu werden drohte. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht mit aller Kraft dagegen ankämpfen würde. Einen ganzen Tag in der Bude sitzen, selbstgemachte Chocolate Chip Cookies essen (wenn auch Vollkorn) und lernen – und das, obwohl draußen die Sonne strahlt, nach der ich mich so lange gesehnt habe? Nein danke!



Deshalb packe ich meine Kamera und stürme enthusiastisch und energiegeladen – na gut, ich gehe völlig normal – auf die Straße und laufe Richtung Kopenhagen Stadtzentrum. Es wird schon was geben, was sich als fotogen herausstellt und mir meinen Mittag versüßt. Gesagt, getan und dann geht alles schneller als die Polizei erlaubt und mit soviel Kawumm und Ratatata, dass ich es kaum glauben wollte.

Da laufe ich also 500m von meinem Haus entfernt auf die Brücke, die den Stadtteil Nørrebro vom Zentrum trennt und sehe schon von weitem, was mich dort erwartet.

Es scheint, als hätte sich ganz Kopenhagen dort versammelt, um zu feiern an diesem Dienstag Nachmittag. Was sie feiern? Ich habe keinen blassen Schimmer, aber es sieht mir nach mächtig Spaß und dem wahren Leben aus. Das ist es, was ich in Kopenhagen sehen wollte.

Mir dämmerte just in diesem Augenblick, wie sie da alle saßen, standen und an ihren Fahhrädern lehnten, dass ich wohl gerade Zeuge des dänischen Hygge Gefühl wurde, von dem immerzu die Rede ist. 







Es ist – wohl wahr – unbeschreiblich, wenn man diese Leichtigkeit, dieses Freiheitsgefühl und diese positive Aura mit ansehen darf. Ich bin stiller Beobachter mit meiner Kamera und versuche den Moment mit dieser festzuhalten, so gut es mir eben möglich ist. Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt etwas hippie-esk klinge: es war ein magischer Moment. Denn endlich begriff ich, dass die Sonne der Schlüssel zum Glück war und bei den ersten Sonnenstrahlen alle schönen und unschönen aus ihren Löchern kriechen, um sich zum kollektiven Wohlfühlen auf Wiesen und Brücken zu treffen. Alle sind am Bierchen trinken, Käffchen schlürfen, quatschen oder lachen. An diesem Nachmittag wird die sonst so unscheinbare Brücke zur Partymeile mit Kuschelcharakter und das bei 2 Grad Celsius. Es gibt kaum eine Stadt, die bei so viel Kälte so viel Spaß macht. Eine Stunde auf den Straßen Kopenhagens und aus meinen hängenden Mundwinkeln wird ein strahlendes Grinsen. Die Leute gucken doof, wie ich da so grinsend vorbeischlendere? Nö, weil die Kopenhagener sich offenbar über nichts und niemand wundern und genau so sehen sie aus.




Es gibt da schräge Vögel neben grauen Mäuschen, Styler und die guten, alten Basickünstler. Aber das Außergewöhnliche an alledem ist, dass die Leute in Kopenhagen nicht aussehen, als ob sie viel Zeit in Aussehen und Mode investieren würden. Sie verstehen die Kunst, aus der Einfachheit eine so einzigartige Coolness zu zaubern, dass einem der Atem wegbleibt. Grau, schwarz, dunkelblau, tannengrün? Klingt nach düsterem Gothic, ist aber eigentlich Kopenhagens lässige Eleganz gepaart mit alternativen Einschlägen.

Das beeindruckendste am Stil der Dänen ist jedoch ihr Schönheitsgeheimnis à la 'weniger ist mehr'. Diesen Leitspruch übertragen die Kaltblüter nicht nur auf ihren reduzierten Stil ohne viel Tamtam und Massenweise Accessoires, sondern vorallem auf ihre Natürlichkeit. Man sieht kaum eine Dänin, die dicke Schichten Make up aufgetragen hat oder aufwändige Smokey Eyes spazieren trägt. Maskara, Lippenbalsam und nachgezogene, markante Augenbrauen müssen reichen und verleihen einen frischen Look. Und dabei belassen es die meisten Naturschönheiten hier – zurecht. Mir gefällts, und zwar so sehr, dass auch ich als sonst eher bunter Vogel immer mehr meine Vorliebe für Basics und die Farbvielfalt zwischen Schwarz und Weiß entdecke! Am Abend sieht man schon die ein oder anderen apfelroten Lippen, aber auch die trägt man in Kopenhagen mit so viel Natürlichkeit, dass man sie kaum wahrnimmt. Es ist wunderbar erfrischend so viele perfekte Menschen zu sehen, die alles andere als perfekt sind.

Ich denke, dass sowohl die Menschen mitsamt ihrem Aussehen als auch die Lebensart und die gemütliche Atmosphäre das Hyggegefühl erzeugen. Für mich ist auf jeden Fall seit heute alles klarer denn je und Hygge kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Ich habe etwas mehr gefunden als erwartet und freue mich euch demnächst mit noch mehr Hygge zu beschallen.


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