Grüne Wiesen voll von Löwenzahn, violette Veilchen im Garten, junge Rehe im Wald hinter unserem
Haus, es gibt fast nichts Schöneres im Frühling. Jahrelang genieße
ich diese Dinge und auf einmal packt mich die Lust, den ganzen
bunten Zirkus und jeden, der sich als Opfer meiner ersten Gehversuche
mit der digitalen Spiegelreflex meines Vaters hergibt, einzufangen.
Ich fotografiere also seit geraumer
Zeit, genauer gesagt seit zwei Jahren. Schon und für immer
fasziniert von schönen Bildern und Fotos, wollte ich neben dem
Zeichnen und Nähen ein weiteres Kreativstandbein finden:
Fotostrecken in der Vogue, große Kampagnen internationaler Firmen,
Bilder von Menschen mit echten Geschichten – mein Kopf sagt 'das
will ich auch', auch wenn am Ende alles nur Hobby gepaart mit bloßer
Träumerei bleibt.
Problematisch ist bei der ganzen Sache
Folgendes: von außen betrachtet sehen diese neuartigen Kameras alle
harmlos und auch nicht sehr komplex aus, aber nur ein Drücken auf
den 'On' Knopf genügt und die Verwirrung steht einem förmlich ins
Gesicht geschrieben. Tausende und Abertausende – im Endeffekt
ungefähr 20 – Knöpfe und schon ist man nicht nur als Frau
überfordert. Entweder man gibt sich nun der Überforderung hin und
scheitert schon beim Aufwärmen oder man stellt sich der
Herausforderung. Ich entscheide mich fürs Weitermachen. Für
Klarheit sorgen kann dann nur noch eines, das Handbuch. Mein Handbuch
trägt vorerst den Namen Papa. Aber auch der weiß unglücklicherweise
nicht über jeden Handgriff Bescheid und so muss ich wohl oder übel zum verhassten Wälzer greifen und mich mit Fachchinesisch herumschlagen. Danach kann ich jedoch mit Stolz
verkünden.....dass ich es ohne Aggressionsbewältigungskurs niemals
bis ans Ende dieses Handbuches schaffen werde.
Langsam gehen einem also die Mittel
aus, wenn Handbuch und sogar die Geheimwaffe 'Daddy' versagen. Einige
erfahrenere Freunde mit Kamera können da zur Goldgrube werden, aber
ich entscheide mich spontan für eine andere Variante: selber
experimentieren.
Der Spaß geht los mit 'Wo ist eigentlich der Selbstauslöser,
wie stelle ich das Licht am blödesten ein und wo zum Teufel kann ich
die Größe der Dateien von überdimensional auf normal umändern?'.
Diese und viele andere Fragen beantworte ich mir jetzt seit 2 Jahren
durch Selbstportraits. Und da sind wir auch schon beim Thema.
Ich muss zugeben, dass ich
Selbstportraits komisch finde. Man fotografiert sich selbst, allein,
vorzugsweise in seinem Zimmer mithilfe von Stativ und Selbstauslöserfunktion
(wenn man sie denn schon entdeckt hat): Ich Patricia wähle dich
Patricia als Model für heute und für immer. Denn auf den ersten
Blick spricht bei einem schönen Selbstportrait die reine Selbstliebe
aus dem Foto. Es schreit gerade zu nach 'Spieglein, Spieglein an der
Wand, ich bin die Schönste im ganzen Land'. Und ich hasse das, denn
welche Frau, außer Gisele und Heidi, findet sich wirklich so
unglaublich schön. Deshalb und aus vielerlei anderen Gründen nervt dieser
negative Ruf, der dem Selbstauslöser anhaftet.
Dass sowohl Lichteinstellung als auch
Winkel, Posen und Komposition im Bild mit in das Entstehen eines
solchen Fotos gehören, vergessen die meisten. Geknipst ist schnell,
aber ein geplantes Foto braucht Zeit, bis es perfekt ist und dazu
muss sowohl Fotograf als auch Mensch vor der Kamera sein Fachwerk
beherrschen. Dass vor einer Kamera zu posieren oder überhaupt erst wunschlos glücklich, unwiderstehlich oder völlig verzweifelt zu gucken, nicht einfach ist, beweist
nicht erst Germany's Next Topmodel mit seiner eher peinlichen
Darstellung dieses Berufszweiges.
Was mich angeht, ist der Selbstauslöser
mein bester Freund geworden, obwohl ich Fotos von mir noch vor einiger
Zeit großzügig gemieden habe. Denn wenn es darum geht, ein Tool an
der Kamera, eine neue Location oder eine neue Einstellung zu testen,
bin ich hoch motiviert und wahrscheinlich geduldiger als jedes
Topmodel. Ewig Hund und Katze zu nerven oder Mutti im Garten
abzulichten, ist nicht das, was ich anstrebe. Denn ich will
weiterkommen, sowohl mit der Fotografie als auch mit der Kamera. Und manchmal funktioniert so etwas nur durch übermäßige Eigeninitiative. Wenn das
also bedeutet, ich muss mich ein Dutzend Mal selbst ablichten, tu ich es. Dabei
geht es weniger darum, dass man sich besonders schön findet, sondern
vielmehr allzeit bereit ist. Wenn ich also meine Visionen im Kopf
habe, wer könnte sie besser umsetzen als ich selbst? Solange ich
keine professionellen Mannequins vor die Linse bekomme, ist diese
Variante die Schmerz freieste, die es gibt, wenn ich nicht künftig alle meine geliebten Freunde durch fotografischen Perfektionismus verscheuchen
will.
Auch nach 100 Fotos habe ich an mir
selbst letztlich am meisten zu nörgeln und das kann ich mir dann
unverfroren und bedenkenlos ins Gesicht sagen. Da nehme ich kein
Blatt vor den Mund und teste, teste, teste, bis es so wird, wie ich
es mir vorgestellt habe. Selbstverliebt ist also eher als
selbstkritisch zu betrachten und Selbstportraits sind weniger Spiegel
des Fotografen als vielmehr seiner fachlichen Entwicklung.
Ein kleiner, positiver Nebeneffekt ist,
dass auch mein eigenes Gefühl, mich vor der Kamera zu bewegen und
meine Mimik zu kontrollieren, besser wird. Meiner Meinung nach sind
das die besten Voraussetzungen, um meinen Models künftig Tipps aus
erster Hand zu geben.
Momentan experimentiere ich mit
Mehrfachbelichtung und Belichtung im allgemeinen präsentiere nun die
ersten Ergebnisse meiner kleinen Selbststudie.
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